Unter Marathonläufern genießt er einen legendären Ruf: der Mann mit dem Hammer. Er kommt so ungefähr bei 32 Kilometern und schlägt dem Sportler kraftvoll mit seinem Werkzeug auf den Kopf, so dass er am liebsten den Wettkampf, auf den er sich monatelang vorbereitet hat, aufgeben würde. Was der Mann mit dem Hammer anrichtet, sieht man bei jedem größeren Stadtmarathon. Ab dem 32. Streckenkilometer wird der Laufwettkampf zum Wandertag. Die Marathonis, die voller Elan und heiß auf Bestzeiten gestartet sind, schlurfen nur noch müde über den Asphalt und sind froh, wenn sie gerade noch so vor dem Cutt-off das Ziel erreichen.
Das muss doch nicht sein! Der Mann mit dem Hammer kommt nicht, wenn man richtig trainiert. Die beliebten Marathonbücher verbreiten Trainingspläne, die zwar grundsätzlich zum Ziel führen, aber die Leistungseinbrüche kurz über der 30-Kilometer-Marke provozieren. In den Trainingsplänen dieser Bücher findet sich keine langer Lauf mit mehr als 32 bis 35 Kilometern. Aus Sicht der Autoren ist das verständlich. Sie wollen, dass ihre Trainingspläne realistisch sind und dass die Leser sie auch tatsächlich umsetzen können. Gerade Anfänger haben oft Schwierigkeiten das zeitintensive Marathontraining in den Alltag zu integrieren. Sechsstündige Laufeinheiten würden vielleicht zu viele Anfänger abschrecken, überhaupt das Training zu beginnen.
In einschlägigen Laufforen im Internet wird sogar ausdrücklich gewarnt: „Im Training auf keinen Fall länger das 32 Kilometer laufen! Das führt zu Übertraining! Der Körper kann das nicht verkraften!“, schreiben dort selbsternannte Laufexperten.
Die Folgen sieht man dann auf der Laufstrecke. Gelaufen wird nämlich nicht nur mit den Beinen, sondern vor allem mit dem Kopf. Wer im Training nie weiter als 32 Kilometer läuft, weil er meint, weiter zu laufen sei schädlich, trainiert sich eine mentale Barriere an. Der Geist lernt, dass bei 32 Kilometern Schluss ist, und dann ist bei 32 Kilometern auch Schluss.
Im Marathonwettkampf ist der Sportler ja einer doppelten Herausforderung ausgesetzt: Er will nicht nur schneller als je zuvor laufen, sondern auch noch weiter. Im Training ist er die langen Läufe schön langsam gelaufen. Im Wettkampf gibt er alles. Er läuft so schnell wie nie zuvor. Und jetzt soll er gleichzeitig auch noch so weit wie nie zuvor laufen? Das funktionier nicht bei allen gut.
Besser ist es, schon im Training so weit zu laufen, wie man kann. Die Ultrafriesen, von denen viele schon auf eine Erfahrung von Dutzenden oder gar Hunderten Marathonläufen zurückgreifen können, sind sich da einig: Die Angst vor Übertraining ist unbegründet. Man darf im Training halt nur nicht zu schnell laufen. Wer im Training 1 Minute pro Kilometer langsamer läuft als im Wettkampf, kann jede Woche einen Marathon laufen.
Beim Lauftraining gilt durchaus: Viel hilft viel. Viele Trainingskilometer sorgen für viel Ausdauer. Das sollte man bei der Vorbereitung auf den Marathonlauf nutzen. Intervalltraining und schnelle Einheiten geben einem das nötige Tempo für die Bestzeit, lange Läufe sorgen für die Grundlagenausdauer. Und die sollte bis zum Ziel halten.
Es empfiehlt sich also, bevor man eine Bestzeit im Marathon laufen will, schon mal einen Trainingsmarathon über die gesamte Strecke zu laufen. Wer sich das Marathonerlebnis für ein Ereignis im großen Rahmen aufsparen will, kann ja im Training bei 40 Kilometern stoppen. Die letzten 2,2 Kilometer sollten dann kein Problem mehr darstellen.
Wer im Training schon die 40-Kilometer-Marke geknackt hat, braucht im Wettkampf vor dem Mann mit dem Hammer keine Angst mehr zu haben. Der kommt an erst, wenn man schon längst im Ziel ist.
Gut ist auch immer, sich mit einem erfahrenen Marathon-/Ultramarathonläufer*in vorzubereiten. Des weiteren sollte man sich keine unrealistischen Zeiten vornehmen, andefalls ist man frustriert, wenn es nicht klappt oder man gar aufgeben muss. Sehr zu empfehlen ist auch, den ersten oder die ersten Marathons mit einem erfahrenen Läufer*in zu absolvieren. Gerade bei den größeren Läufen (Stadmarathons) lässt man sich gerne zu Beginn vom Pulk mitziehen oder an den Stellen, wo die Läufer*innen mit den kürzeren Distanzen auf die Strecke dazukommen, zu einem anderen Tempo bewegen. Man muss die Erfahrung machen, sein Tempo einzuhalten, um mit Freude und Spaß zu seinem Ziel und ins Ziel zu kommen.