Marathon ist kein Spaß für Wetten

„Ich habe eine Wette abgeschlossen, dass ich einen Marathon schaffe“, erzählt die junge Frau, die sich uns kurz nach dem Start eines Stadtmarathons angeschlossen hat. Wir freuen uns über die ambitionierte Nachwuchsläuferin und erkundigen uns interessiert nach ihrer Vorbereitung. „Mein längster Lauf im Training war über 12 Kilometer“, berichtet sie fröhlich. Da friert uns erfahrenen Läufern vor Schreck das Blut in den Adern ein. Zwölf Kilometer? Oh nein!

Leute, ein Marathon ist kein Spaß für eine Wette! Wer gut trainiert, kann viel Freude an dieser sportlichen Herausforderung haben. Ohne ausreichendes Training jedoch ist ein Marathonlauf ein unverantwortliches Risiko für die Gesundheit. Manche Wette endet nicht im Ziel, sondern im Rettungswagen.

Der Reiz eines Marathonlaufs besteht darin, bis an die Grenzen des Leistbaren zu gehen. 42,195 Kilometer im Laufschritt – das stellt erhebliche Anforderungen an Körper und Geist. Wer dieses Ziel erreicht hat, wird Teil der Gemeinschaft der „Finisher“. Und wer den Lauf langer Strecken zu seinem Hobby macht, wird merken, wie der Körper immer ausdauernder und der Geist immer belastbarer wird. Läufer sind gesünder und leben länger als der Durchschnittsbürger – aber nur dann, wenn sie es richtig angehen.

Da ist zunächst einmal das Herz: Gut trainiert kann unser Herz-Kreislauf-System Großes leisten. Untrainierte Läufer hingegen gehen bei extremen Belastungen das Risiko von Herzschäden ein. Das dürfte nicht überraschen, denn bei ungewohnter Anstrengung regelt der Körper den Puls zunächst viel zu hoch. Erst mit regelmäßigem Training gewöhnt sich der Körper an die Belastung und kommt mit weniger Pulsschlägen aus.

Auch Muskeln, Knochen und Gelenke sind ohne ausreichendes Training gar nicht auf die Belastung eines Marathons vorbereitet. Der Körper spart gern an Ressourcen und baut sich nur so stark auf, wie es nötig ist. Lange und regelmäßige Läufe geben dem Körper das Signal, dass jetzt der Bewegungsapparat verstärkt werden muss. Das tut der Körper dann auch – aber es braucht Zeit.

Nicht zuletzt spielt die Psyche eine große Rolle, denn ein Marathon wird zum großen Teil im Kopf gelaufen. Vielleicht wirkt der psychische Druck der Wette so stark auf die untrainierte Läuferin, dass sie sich mit purer Willenskraft ins Ziel schleppt – nur um der Blamage vor den Freunden zu entgehen. In Extremsituationen ist der Mensch zu Außergewöhnlichem fähig. Doch im Unterbewusstsein wird dieses Erlebnis als furchtbare Überforderung abgespeichert. Es kann sein, dass das Unterbewusstsein eine Blockade aufbaut und jedes Mal, wenn die junge Frau wieder zu den Laufschuhen greift, dem Bewusstsein signalisiert: Lass das! Laufen ist nichts für dich!

Das muss nicht sein – wenn man es richtig macht. Laufen kann viel Freude bereiten, wenn man dem Körper erlaubt, sich angemessen auf das große Erlebnis vorzubereiten.

Wer noch nie gelaufen ist, sollte sich drei Jahre Zeit für die Vorbereitung nehmen. So lange braucht der Körper, um Knochen und Sehnen ausreichend zu stärken. Im ersten Jahr nimmt man sich am besten einen Trainingsplan für 5 Kilometer vor. Wer diese Strecke in etwa einer guten halben Stunde schafft, ist ein Läufer – und darf sich ruhigen Gewissens an längere Strecken wagen.

Im zweiten Jahr geht es an die 10-Kilometer-Strecke. Mit einem guten Trainingsplan ist die Steigerung von 5 auf 10 Kilometer kein Problem. Dann läuft man zwei- bis dreimal pro Woche – und der Körper wird es lieben.

Sind 10 Kilometer kein Problem mehr, ist es Zeit für einen Marathon-Trainingsplan. Wer diesen drei oder vier Monate lang gewissenhaft verfolgt, braucht keine Angst vor den 42 Kilometern zu haben. Wichtig sind vor allem die langen Läufe: erst 15, dann 20, dann 25, dann 30 Kilometer – jeden Sonntag ein bisschen mehr. Diese Läufe absolviert man natürlich deutlich langsamer als im Wettkampf.

Die meisten Trainingspläne hören bei 30 oder 35 Kilometern auf – wir Ultrafriesen sagen jedoch: Viel hilft viel! Es schadet nicht, auch 35 oder 40 Kilometer im Training zu laufen, sofern man langsam bleibt. Wer außerdem ein bestimmtes Ergebnis anstrebt und schneller als 4 oder 5 Stunden laufen möchte, gewinnt im Intervalltraining die nötige Tempohärte. Aber das alles wird im Trainingsplan erklärt.

Natürlich kosten lange Läufe viel Zeit, und nicht jeder hat viel davon. Wer bei den langen Läufen Abstriche macht, muss sein Risiko kalkulieren. Ein junger Mensch mit sportlichem Lebensstil kann sich mehr zutrauen als jemand, der mit 50 gerade erst von der Couch aufgestanden ist. Absolut unverantwortlich ist es aber in jedem Fall, an einem Marathon teilzunehmen, ohne je mindestens die Hälfte der Strecke gelaufen zu sein.

Und wenn man es doch getan hat – und nach 20 Kilometern merkt, dass es eine dumme Idee war? Man kann sich die Startnummer abnehmen und in die nächste Straßenbahn steigen. Aber wenn einem die Ehre das nicht erlaubt, probiert man es mit Gehen. Gehen ist wie Laufen, nur dass die Beine dabei stets den Kontakt zum Boden behalten. Es ist für den Körper nur halb so anstrengend und schont die Knochen. Und gehend ins Ziel zu kommen, ist auf jeden Fall besser, als im Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren zu werden.

Ein Kommentar

  1. Sehr gut und treffend beschrieben. Man geht ja auch nicht mit Flip-Flops auf die Zugspitze, oder? Ich erlebe es auch immer wieder, dass sich Menschen bei offiziellen Volksläufen immer wieder überschätzen. Vielleicht sollte der Veranstalter auch einen Leistungsnachweis verlangen.
    Viele Grüße
    Reimund „Emil“ Bohmann

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